Artikel im Gäuboten am 13.11.2024 von Konrad Buck
Gärtringen: Die steinernen Zeitzeugen werden am Eingang des Villa-Parks aufgestellt. Der von Teilen der Freien Wähler favorisierte Standort an der Friedenslinde fand keine Mehrheit im Verwaltungsausschuss.

Historische Grenzsteineerfüllten früher den Zweck,Herrschafts-, Besitz- und Rechtsgrenzen in der Landschaft sichtbar zumachen. Die steinernen Zeitzeugen markierten und sicherten über Jahrhunderte hinweg verbindlich die Grenzen. Die Steine zu verrücken oder zu beseitigen, wurde als Verbrechen eingestuft und bestraft. Um dieser kultur-, rechts-, vermessungs- und heimatgeschichtlichen Bedeutung gerecht zu werden, kreierte der Verein Zeitsprung/Ortsgeschichte in Gärtringen und Rohrau die Idee, in ehrenamtlicher Arbeit einen Grenzsteingarten als touristische Attraktion auf dem Gelände der Villa Schwalbenhof zu errichten. Der vom Verein vorgeschlagene Standort befindet sich auf einer für Veranstaltungen nicht genutzten Fläche am Wolfäckerweg links nebendem Parkeingang. Vorteil dieses Standorts: Er ist gut erreich- und sichtbar und beeinträchtigt nicht die anderen Nutzungen im Kiefer-Park und in der Villa.
Zunächst sollen auf der ausgewiesenen, 150 Quadratmeter großen Fläche zwölf Grenzsteine aufgestellt werden, die den Gemarkungen Gärtringen und Rohrau entstammen – und zwar allesamt Grenzsteine, die bereits „gefallen“ sind, also an ihrem ursprünglichen Standort demontiert wurden. „Wir haben viele umgeworfene und kaputte Grenzsteine entdeckt und vor dem Verlust gerettet“, berichtete Beate Losert, Mitglied in der Arbeitsgruppe Bodendenkmale des Vereins Zeitsprung, in der Sitzung des Verwaltungsausschusses. Das Areal könnte später um weitere Grenzsteine (100 Quadratmeter) erweitert werden. Der Verein Zeitsprung hat zugesagt, die Kosten zu übernehmen, um in den Grenzsteinen eine Kernbohrung vorzunehmen, ein Edelstahlrohr anzubringen sowie die Steine zur Werkstatt des Steinmetzes und an den Aufstellungsort zu transportieren. Den letzten Arbeitsschritt für den Grenzsteingarten – die Steine in den Boden einzubetonieren – wird der Bauhof übernehmen, unterstützt von Vereinsmitgliedern. Um die Besucher über die Bedeutung der Grenzsteine zu informieren, wird zudem eine Schautafel angebracht, die etwa 1500 Euro kostet, so dass die Gemeindeverwaltung mit Gesamtkosten von rund 3500 Euro rechnet.

Der Verein Zeitsprung versah sein (Finanzierungs-) Engagement aber mit einem Junktim: Als Standort wurde der Park der Villa beantragt. Dieser Vorbehalt rief im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats etwas Irritationen hervor, denn in der Gemeinderatsdrucksache wurde auch ein alternativer Standort aufgelistet, der außerhalb des bebauten Ortsgebietes liegt: eine Flächeneben der Friedenslinde. „Ich wundere mich, dass der Verein den Standort vorgibt und es andernfalls keine Mithilfe gibt“, sagte Uli Zinser (FDP). „Die ganz besonders gute Erreichbarkeit war uns wichtig, um den Kleindenkmalschutz ins Bewusstsein zu rücken“, erklärte Beate Losert die Präferenzen des Vereins. Auch die Gemeindeverwaltung schloss sich dieser Ansicht an: „Damit das Areal rund um die Friedenslinde zahlenmäßig nicht mit einem weiteren Denkmal versehen wird und aufgrund der Kostenzusage des Vereins ist aus Sicht der Verwaltung der Standort im Erich-Kiefer-Park zu bevorzugen“, hieß es in der Drucksache. Die Freien Wähler schlugen indes vor, den Alternativ-Standort an der Linde zu nutzen. Denn dieser Baum, so argumentierte Gemeinderat Werner Bühler, stünde viel näher an der Gärtringer Gemarkungsgrenze. „Außerdem stehen da oben ohnehin schon Zeitzeugen-Denkmale, nämlich die von Grundschülern gepflanzten Bäume. Und der Kiefer-Park war bisher ein No-Go“, ergänzte Bühler. Die anderen Fraktionen hoben dagegen die Vorzüge des innerörtlichen Villa-Parks hervor – auch im Zusammenspiel mitanderen heimatgeschichtlichen Lokalitäten. „Wir sehen das Ensemble mit Kiefer-Park, Villa, Schloss und Kirche als gute Stube für die Heimatgeschichte. Die Grenzsteine wären im Park besser und besucherfreundlicher untergebracht und wären in der guten Stube konzentriert“, sagte CDU-Gemeinderat Peter Jost. Diese Einschätzung teilten auch die Sprecher der anderen Fraktionen und Gruppen. „Die Wertschätzung im Park ist wegen der Nähe und Sichtbarkeit größer“, befand Kerstin Pauls (Grüne Liste). Elke Klump-Röhm (SPD) verwies darauf, dass die Besucher zur Friedenslinde mit dem Auto fahren würden, und auch für Kita-Kinder und Schüler sei der Standort im Park fußläufig erreichbar und besser erlebbar. „Bildung im Vorbeigehen“,umschrieb der Verein Zeitsprung den Vorteil des zentralen Standorts.
Bevor im Verwaltungsausschuss abgestimmt wurde, monierte Volker Kirn (Freie Wähler): „Wir entscheiden wieder über etwas, von dem wir nicht wissen, wie es aussieht“, sagte Kirn und spielte damit auf die in der vergangenen Woche getroffene Entscheidung über die Wandfarbe in der Ludwig-Halle an. „Es sieht auf jeden Fall nicht aus wie ein Friedhof“, versicherte Bürgermeister Thomas Riesch. Nach Volker Kirns Anregung zeigte Beate Losert spontan eine kurze und aussagekräftige Präsentation zum geplanten Grenzsteingarten. Sie macht sich in der Arbeitsgruppe zusammen mit Wolfgang Losert, Walter Raisch, Wolfgang Machmer und Jürgen Schmid auch um dieses Thema verdient – auch deshalb, um an den Gärtringer Heimatforscher Sieghart Bühler zu erinnern, der sich bereits Anfang der 1960er Jahre mit diesem Thema befasst hatte. Bei der Abstimmung lobten die Gemeinderäte einhellig die „tolle Idee“, einen Grenzsteingarten anzulegen, und votierten einstimmig für dieses Projekt. Bei der Standortwahl stimmten zehn Räte für den Villa-Park und zwei Mitglieder der Freien Wähler für die Fläche neben der Friedenslinde. Die Arbeiten könnten noch in diesem Jahr beginnen.


